Geschichtlicher Hintergrund

Eine bewegte Zeit!

06. August 1806: Franz II., Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation und Kaiser von Österreich, legte die Krone des Römischen Reiches ab und erklärte das Reich für erloschen.

Damit war ein über 800 Jahre lang bestehender Bund zerstört worden. In diesem Bund waren unzählige Herrschaftsbereiche von weltlichen und geistlichen Fürsten vereinigt. Napoleon zog neue Grenzen. Das Gesicht Mitteleuropas veränderte sich. Von ihm erhobene Könige bekamen Land geschenkt, anderen wurden Gebiete beraubt. Loyale Vasallen bekamen Titel und Länder, während andere Staaten von den Landkarten verschwanden.

Nach dem desaströsen Feldzug gegen Russland erhoben sich viele Fürsten gegen ihn. Die sogenannten Befreiungskriege begannen und viele Männer meldeten sich freiwillig zu den Fahnen um die ungeliebten Franzosen und ihren usurpatorischen Kaiser zu vertreiben. Könige versprachen ihren Völkern Verfassungen, Bürgerrechte und weitgreifende Freiheiten, wenn sie doch nur zu den Waffen griffen und gegen Napoleon ins Feld ziehen würden. Dichter und Schriftsteller ermahnten, sich der „teutschen“ Ehre bewusst zu sein, an das Vermächtnis jener Germanen, welche einst die Legionen des Varus vernichteten, anzuknüpfen und als Deutsche die französischen Horden über den Rhein zu treiben.

Eine Welle des Patriotismus und des Nationalismus schwappte durch die Gebiete des ehemaligen Heiligen Römischen Reiches. Menschen in Preußen, Württemberg, Baden, Bayern, Hamburg und Hessen verstanden sich nun als Deutsche und als Napoleon 1815 gemeinsam, Schulter an Schulter besiegt worden war, da kehrten die Soldaten zurück in ihre Heimat. Unter Studenten und vielen Gelehrten wuchs der Wunsch heran, ein geeintes Deutschland zu schaffen. Gemeinsam hatten sie die Bedrohung durch den französischen Feind abgewehrt, gemeinsam wollte man nun auch leben, arbeiten und handeln.

In Wien tagte zur gleichen Zeit der sogenannte Wiener Kongress unter der Leitung des österreichischen Fürsten von Metternich. Sein Ziel war es, in Europa ein Machtgleichgewicht zu schaffen und in dieses Konzept passte ein geeinter deutscher Nationalstaat nicht. Zumal die deutschen Fürsten auch nicht daran interessiert waren, Macht und Vermögen aufzugeben.

Die Kämpfer der Freiheitskriege wurden enttäuscht, als sie nach Hause zurückkehrten. Viele Fürsten erinnerten sich nicht mehr an ihre Versprechen von Bürgerrechten, Verfassungen oder Freiheiten. Auch der Wunsch nach einem deutschen Staat zerplatzte wie eine Seifenblase. Wer dennoch weiterhin davon sprach musste mit Bespitzelung und Verfolgung rechnen.

Deutschland blieb ein Flickenteppich auf der Landkarte.

Als Verteidigungsbündnis gegen innere und äußere Feinde wurde 1815 zwar der Deutsche Bund gegründet und in Frankfurt am Main ein Bundestag errichtet. Mit einem deutschen Nationalstaat hatte dies aber nichts zu tun.

Im Jahre 1848 war Deutschland also zerteilt in Herzogtümer, Grafschaften und Königreiche. Es waren mehr als 35 kleine Einzel- und Stadtstaaten mit eigener Währung, eigenen Regierungen, eigenen Staatsapparaten, Maßeinheiten, Gesetzen, Vorschriften und eigenem Militär.

Viele Reformer forderten jedoch weiterhin in Schriften ein geeintes Deutschland, ohne Zölle, Reiseverordnungen und –Einschränkungen. Sie forderten eine unzensierte Presse und eine Polizei, die dem Volk und nicht dem Herrscher diente. Sie forderten ferner freien Wahlen, und auch persönliche unveräußerliche Freiheit, Abschaffung der Adelsprivilegien und die Möglichkeit, dass jeder sein individuelles Glück selbst in den Händen halten konnte und nicht die Geburt darüber entschied, wer man war und was man durfte oder erreichen konnte.

Der Gedanke, die Veränderungen herbeizuführen, war in den Köpfen der Deutschen gepflanzt und musste nur gehegt werden, damit er reifte.

Neben den ideellen Veränderungen, bedingt durch die Französische Revolution und die vorangegangene Aufklärung, war die Wirtschaft in Europa von einem Wandel ergriffen: Von England aus erreichte eine ganz andere Revolution ab den 1830er Jahren den Kontinent: die industrielle Revolution.

Dampfmaschinen, Eisenbahnen, Fabriken und Massenprodukte eroberten auch die deutschen Staaten und veränderten die sozialen und wirtschaftlichen Lebensbereiche. Kleinhandwerker verloren ihre Existenzen und Arbeitsplätze zu extremen Niedriglöhnen in unmenschlichen Fabriken entstanden. Tuchfabriken ersetzten die Produkte der kleinen Heimweber und trieben diese an den Rand des Existenzminimums. Schuhfabriken und große Nähereien machten es für eigenständige Handwerker sehr schwierig zu überleben. Banken und Großindustrielle erlangten großen Einfluss auf die sozialen Umstände der Bevölkerung. Tagelöhner und Fabrikarbeiter zogen in die großen Städte, welche sprunghaft anwuchsen. Armenviertel entstanden. Die Not der Menschen wurde größer. Hatte vor zehn Jahren ein Handwerksmeister mit seinem Einkommen noch die Familie ernähren können, so mussten nun alle Familienmitglieder, auch die Kinder, arbeiten gehen um einigermaßen über die Runden zu kommen.

1830 kam es in Paris zu einer erneuten Revolution. Sie wurde blutig niedergeschlagen. Doch anders als 1789 gab es nun auch in anderen europäischen Staaten Menschen, die sich auflehnten, die den Gedanken der Revolution weitertrugen und laut forderten, was ihnen fehlte. Neben den sozialen Missständen wurde dabei auch immer wieder der Wunsch nach einem Nationalstaat geäußert. Vorrangig blieb es 1830 noch beim Widerstand gegen die industriellen Veränderungen und dem Kampf um soziale Verbesserungen. Es kam zu Kundgebungen, „Maschinenstürmen“ und Protesten. Vielleicht hatten die Fürsten nicht erkannt, was sich da zusammenbraute, vielleicht glaubten sie, all diese Erscheinungen des Untertanenungehorsams allein mit Bajonetten und Polizeisäbeln im Keim ersticken zu können. Jedenfalls erkannten die wenigsten Verantwortlichen, welcher Zukunft sie entgegen sahen.

Nicht die Deutschen allein strebten einen Nationalstaat an. Viele andere Völker sehnten sich ebenso nach einem eigenen Staat und einem Ende der Fremdherrschaft. Namentlich die Polen, Griechen, Ungarn und Italiener wollten das Joch der Fremdherrschaft loswerden und sich selbst regieren.

Gerade die Polen, einst von Napoleon mit großen Versprechungen über einen souveränen Nationalstaat in dessen Armeen geködert, sahen ihr Reich nach den Befreiungskriegen besetzt von Preußen, Österreichern und Russen. Sie waren aufgespalten und ihrer Nationalität beraubt.

Die Griechen kämpften Seite an Seite mit Freiwilligen aus ganz Europa gegen die türkisch-osmanische Fremdherrschaft. Italien, ähnlich zerstückelt wie Deutschland, war teilweise von Österreich und Spanien besetzt. Die Ungarn, von Österreich beherrscht, strebten ebenfalls nach Freiheit.

1830 wurde ein nationalpolnischer Aufstand von russischem und österreichischem Militär zusammengeschossen.

Auf dem Hambacher Fest im Jahre 1832 forderten viele Deutsche einen vereinten Nationalstaat und hissten die schwarz-rot-goldene Trikolore; daneben die polnischen Farben als Solidaritätsbekundung.

Der Begriff Revolution war in aller Munde. Auf Drängen des Chefreaktionärs von Metternich hatten die deutschen Fürsten bereits 1819 die sogenannten Karlsbader Beschlüsse erlassen, einen Katalog mit Maßnahmen gegen revolutionäre oder nationalistische Bestrebungen. Grund lieferte ihnen damals der Student Karl Sand, welcher den Schriftsteller August von Kotzebue ermordete, weil dieser unter anderem die deutsche Nationalidee ablehnte.

Nach dem Hambacher Fest verschärften die Fürsten die Drangsalierung und Verfolgung der Demagogen.
1833 versuchten Studenten in Frankfurt am Main Waffen aus dem Arsenal des Stadtmilitärs zu stehlen und den Bundestag zu überfallen um die Schaffung eines deutschen Nationalstaates zu forcieren. Auch dieser Aufstand erstarb im Pulverdampf des Militärs.

In den vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts kam es in Europa zu großen Missernten und daraus resultierend zu Aufständen, die nicht nur die hohen Lebensmittelpreise, sondern auch all die anderen Probleme des Volkes zur Ursache hatten.

In Schlesien erhoben sich die Weber und protestierten gegen ihre Lebensumstände und die Industrialisierung. Preußen schickte Militär, der Aufstand wurde niedergeschossen. Die Polen begehrten 1846 erneut auf und wurden von preußischen Bajonetten auseinander getrieben.

In Berlin kam es 1847 zur sogenannten Kartoffelrevolution. Auch hier schickte man das Militär. Trotz Zensur, Bespitzelung, Verfolgung und Denunzierungen gelangten immer mehr aufklärerische Schriften, Flugblätter und Plakate in Umlauf. Auf Versammlungen hörten Studenten, Handwerksgesellen, Bürger und Arbeiter den Reden von liberalen oder radikalen Demokraten und Republikanern zu.

Die Zündschnur am Pulverfass war gelegt!

Als im Februar 1848 wieder eine Revolution in Frankreich stattfand, entzündete sich daran ganz Europa. In Preußen, Ungarn, Baden, Württemberg, Italien… überall kam es zu Aufständen und blutigen Kämpfen.

In Berlin ging man im März 1848 auf die Barrikaden. Die Revolutionäre besiegten das preußische Militär im Straßenkampf und zwangen den König, die gefallenen Bürger zu ehren, die Farben der Revolution, schwarz-rot-gold, anzulegen und sich an die „Spitze der Bewegung“ zu stellen. Man rang ihm auch weitergehende Zugeständnisse ab.

In Wien gelang es ebenfalls, die Regierung mitsamt dem Kaiserhof zu verjagen. Die Ungarn und die Italiener stellten schlagkräftige Armeen auf und zogen gegen die kaiserlichen österreichischen Truppen ins Feld.

In Schleswig und Holstein begehrte man gegen die dänische Fremdherrschaft auf.

In Deutschland beugten sich die Fürsten der Revolution…vorerst. In der Paulskirche in Frankfurt am Main errichtete man eine Nationalversammlung und hielt Wahlen ab. Die Abgeordneten zogen feierlich in die Paulskirche ein und debattierten von nun an über eine gesamtdeutsche Verfassung und alles deutete daraufhin, dass es eine konstitutionelle Erbmonarchie in Deutschland geben werde.

Männern wie Friedrich Hecker und Gustav (von) Struve passte das nicht. Als radikale Republikaner waren sie der Meinung, dass die Menschen in Deutschland nur frei sein konnten, wenn Deutschland ein Föderal-Staat nach Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika werden würde.

Mit Waffengewalt wollten sie dies im April 1848 durchsetzen. In Baden scharrten sie eine kleine Armee um sich und marschierten auf Frankfurt zu, um die Nationalversammlung zu stürzen und Neuwahlen zu erreichen. Hessisches, badisches und württembergisches Militär setzte diesem Zug auf der Scheideck bei Kandern ein blutiges Ende. Struve versuchte es im September 1848 noch einmal und scheiterte wieder kläglich.

In Wien war die Lage nicht ganz so günstig für die Revolutionäre. Die geschlagenen deutsch-österreichischen Truppen wurden gegen die Ungarn entsandt und Einheiten aus den österreichischen Grenzgebieten, wie zum Beispiel Kroatien, nach Wien geführt. In harten Kämpfen eroberten diese Wien zurück. Die Hinrichtung des Parlamentariers Robert Blums, welche gegen jedes Recht verstieß, war ein gezielter Affront gegen die Frankfurter Nationalversammlung. Dort beschloss man daher notgedrungen, ein Deutsches Reich unter Ausschluss der österreichischen Gebiete zu erschaffen.

Anfang des Jahres 1849 hatte die Nationalversammlung in der Paulskirche eine Reichsverfassung für ein gesamtdeutsches Kaiserreich entworfen und den Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. zum deutschen Kaiser erwählt. Eine Delegation wurde nach Berlin gesandt. Doch der König, welcher zuvor noch Anzeichen einer Zusage gegeben hatte, lehnte brüsk ab.

Er empfange die Kaiserkrone nicht aus den Händen des einfachen Pöbels, meinte er. Zuvor hatte er schon eigenmächtig einen Friedensvertrag mit Dänemark ausgehandelt und war damit der Nationalversammlung, welche sich als legitime Regierung Deutschlands verstand, in den Rücken gefallen. Nun entzog er ihr sämtliche Befugnisse in Preußen und weitere Landesfürsten folgten seinem Beispiel. Mit einem Schlag war die Nationalversammlung entmachtet und die Erfolge der Revolution zunichte gemacht.

Der letzte Ausweg war die Aufforderung des Parlaments im Mai 1849 an das deutsche Volk, die Waffen zu ergreifen und die Durchsetzung der Reichsverfassung und der Staatsbildung mit Gewalt zu erwirken.

Einzig in Dresden, der damals bayrischen Pfalz und in Baden kam es zu ernsthaften Versuchen. Während der Aufstand in Dresden rasch durch preußisches und sächsisches Militär zerschlagen werden konnte, gelang es in Baden und der Pfalz, eine provisorische Regierung zu bilden und sogar große Teile des Militärs, welches zu den Demokraten überging, auf die Reichsverfassung zu vereidigen. Der badische Großherzog, welcher aus seinem Land fliehen musste, rief die Preußen und später die Fürsten des Bundes zu Hilfe.

Die Preußen waren jedoch durch lokale Aufstände im Rheinland und der Grafschaft Mark noch gebunden. Einige Landwehr-Bataillone dort verweigerten nämlich die Einkleidung, da man nicht auf die deutschen Brüder in Baden schießen wolle. Schließlich verteidigten diese ja nur die rechtmäßige Verfassung und der preußische König habe das Recht gebrochen. Offiziere wurden verjagt und Zeughäuser erstürmt. In Elberfeld, Düsseldorf und Iserlohn kam es zu blutigen Kämpfen mit dem regulären Militär, welches die Aufstände schnell und teils sehr blutig beendete.

Zusammen mit verbündeten Truppen des deutschen Bundes fielen die Preußen anschließend in Baden und die Pfalz ein. In einem kurzen, aber blutigen Feldzug „befreiten“ sie die Länder von den Demokraten. An dem Tag, an dem die badisch-pfälzische Garnison der Festung Rastatt sich nach langer Belagerung den Preußen ergab, starb die Revolution in Deutschland.

So waren also im Oktober 1849, nach der Zerschlagung der ungarischen Armee durch österreichische und russische Truppen, die alten Machtverhältnisse in Europa größtenteils wieder hergestellt.

Freiheit, Recht und Einigkeit waren allein ein Traum von vielen geblieben und nicht wenige suchten ihr Glück nun im Ausland. Sie emigrierten nach Amerika, in die Schweiz, nach England oder nach Frankreich. Einige kehrten nach Jahren wieder zurück, andere fanden in der Ferne eine neue und vielleicht bessere Heimat.

Manch einer stand aber auch später noch für die Ideale von 1848 und 1849 ein, manchmal auch mit seinem Leben, wie die Biographien berühmter Revolutionäre zeigen.

Revolutionsteilnehmer wie Willich, Sigel, Hecker und Schurz fanden sich zwölf Jahre später in einem anderen blutigen Konflikt wieder. Auch Einwanderer aus Polen, Ungarn und Italiener traten dort für dieselben Werte ein wie schon 1848. Wieder sahen sie es als einen Kampf für Einheit, Recht und Freiheit, als einen Kampf gegen eine andere Art der Aristokratie.

Als am 12 April 1861 konföderierte Batterien die Unionsfestung Fort Sumter im Hafen von Charleston in South Carolina beschossen und damit den amerikanischen Bürgerkrieg begonnen, sammelten sich Tausende von deutschen Auswanderern um das Sternenbanner um für ihre neue Heimat zu kämpfen und für die Freiheit der Sklaven zu sterben, doch das ist eine andere Geschichte…